Verhinderungspflege rückwirkend beantragen
Kann man Verhinderungspflege rückwirkend beantragen?
Wer den Alltag aus gesundheitlichen oder altersbedingten Gründen nicht mehr alleine bestreiten kann, braucht Hilfe. Häufig springen Kinder und Enkel ein, um der zu pflegenden Person die Möglichkeit zu geben, weiterhin in ihrem Zuhause leben zu können.
Doch was passiert, wenn die gewohnte Betreuungsperson durch Arbeit, Krankheit oder eigenen Urlaub verhindert ist?
In diesem Fall greift die sogenannte „Verhinderungspflege„.
Die ursprüngliche Pflegeperson beauftragt eine Ersatzperson mit der Pflege des Angehörigen, um die Betreuung des Menschen zu gewährleisten.
Inhalt
- Was wird für die Verhinderungspflege gezahlt?
- Voraussetzungen für die Verhinderungspflege
- Wer darf die Pflegeperson vertreten?
- Verhinderungspflege rückwirkend beantragen – so kommen Sie zu Ihrem Geld
- Verhinderungspflege rückwirkend beantragen – wann die Kassen NICHT zahlen müssen
- Wie Sie trotzdem zu Ihrem Geld kommen
1. Was wird für die Verhinderungspflege gezahlt?
Wenn Sie eine andere Person mit der zeitweiligen Betreuung Ihres Angehörigen beauftragen, können Sie für die Bezahlung dieser Person bei der Pflegekasse Geld beantragen. Der Satz für die Verhinderungspflege liegt pro Jahr bei bis zu 2418 Euro.
Dabei müssen die Verwandtschaftsverhältnisse berücksichtigt werden, da hier eine anteilige Auszahlung erfolgt.
Dieser Betrag setzt sich aus dem Geld der Verhinderungspflege (bis zu 1612 Euro pro Jahr) plus den Leistungen für die Kurzzeitpflege (806 Euro pro Jahr) zusammen, wenn das Budget der Kurzzeitpflege nicht anderweitig genutzt wurde.
Die Zahlung der Verhinderungspflege erfolgt unabhängig von Entlastungsbetrag, Pflegesachleistungen und Pflegegeld und ist im § 39 SGB XI geregelt.
Wichtig: Sie können die Verhinderungspflege in kompletter Jahreshöhe verbrauchen, unabhängig von dem Zeitpunkt, ab dem Ihnen der Anspruch auf Verhinderungspflege rechtlich zusteht.
Wird der Pflegegrad Mitte des Jahres zugesprochen, wird das Geld der Verhinderungspflege nicht halbiert, sondern Sie können den Höchstbetrag innerhalb der restlichen Monate ausschöpfen.
Was bis zum Jahresende nicht verbraucht wird, verfällt und lässt sich nicht ins neue Jahr übertragen.
2. Voraussetzungen für die Verhinderungspflege
Als Voraussetzungen für die Verhinderungspflege gelten:
- Zum Zeitpunkt der ersten Kosteneinreichung für die Verhinderungspflege muss die zu betreuende Person mindestens den Pflegegrad 2 besitzen
- Vor der ersten Kosteneinreichung wurde der Pflegebedürftige schon 6 Monate in seiner häuslichen Umgebung gepflegt
Das bedeutet nicht (wie oft angenommen), dass der Pflegebedürftige zuerst den Pflegegrad erhalten und anschließend 6 Monate gepflegt werden muss, bevor die Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden kann.
Wird durch einen Arzt bestätigt, dass die Notwendigkeit der Pflege schon seit 6 Monaten bestand und erfolgt die Erteilung eines Pflegegrades erst nach dieser Zeit, greift die Verhinderungspflege ab dem Tag der Pflegegraderteilung.
3. Wer darf die Pflegeperson vertreten?
Sind Sie verhindert und können sich nicht um die zu pflegende Person kümmern, stehen zwei Wege zur Auswahl. Sie können Privatpersonen wie andere Angehörige, den Lebenspartner, Freunde oder Bekannte mit der Pflege beauftragen.
Diese Form der Unterstützung wird nicht erwerbsmäßige Verhinderungspflege genannt.
Sie können aber auch die erwerbsmäßige Verhinderungspflege nutzen, bei der Sie ambulante Pflegedienste engagieren oder Unterstützung von Menschen annehmen, die die Pflege innerhalb einer Erwerbstätigkeit anbieten.
4. Verhinderungspflege rückwirkend beantragen – so kommen Sie zu Ihrem Geld
Viele Menschen kennen die Möglichkeit der Verhinderungspflege gar nicht und stoßen erst während ihrer Pflegetätigkeit auf diese Informationen.
Deshalb hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, die Gelder für die Verhinderungspflege mit einer Dauer von bis zu Jahren rückwirkend abzurechnen (allgemeine Verjährungsvorschriften für Sozialleistungen laut § 45 Abs. 1 SGB I.
Das geht jedoch nur, wenn zu Beginn des Zeitraumes ein Pflegegrad 2 oder höher vorlag und die Wartefrist von 6 Monaten abgelaufen war. Die Ausgaben für die Ersatzpflegeleistungen müssen nachgewiesen werden, dann können Sie die Verhinderungspflege rückwirkend beantragen und erhalten die Kostenerstattung für die vorangegangenen 4 Jahre.
5. Verhinderungspflege rückwirkend beantragen – wann die Kassen NICHT zahlen müssen
Verhinderungspflege muss nicht beantragt werden. Sie steht jedem Menschen zu, der einen Pflegegrad ab Stufe 2 erhalten hat. Die Leistung muss also nicht genehmigt werden, sie wird abgerechnet. Wenn Sie die pflegebedürftige Person stunden- oder tageweise nicht betreuen können, organisieren Sie einen Ersatz und gehen mit der Bezahlung dieser Person (Stundenlohn, Verdienstausfall, Anreisekosten) in Vorkasse.
Diesen Betrag reichen Sie anschließend ein und lassen ihn sich im Rahmen der Verhinderungspflege erstatten.
Diese Regelung wirft ein Problem auf, denn im Fall des plötzlichen Todes der zu betreuenden Person können Sie rückwirkend keine Zahlungen einfordern (§ 59 SGB I). Da Sie die Kostenerstattung nur rückwirkend geltend machen können, kann es passieren, dass Sie durch diese Regelung auf Ihren Ausgaben sitzenbleiben.
Beispiel: Die zu pflegende Person stirbt überraschend und Ihre letzte Abrechnung liegt 3 Monate oder länger zurück. In diesem Fall haben Sie rechtlich keine Möglichkeit, die Ausgaben erstattet zu bekommen, mit denen Sie nach der letzten Auszahlung in Vorkasse gegangen sind.
Diese Regelung scheint ungerecht, da die Verhinderungspflege erst dann ausgezahlt wird, wenn die Ersatzpflege durch eine andere Person bereits erfolgte. Außerdem lässt sich in den wenigsten Fällen absehen, wann ein Mensch stirbt.
6. Wie Sie trotzdem zu Ihrem Geld kommen
Viele Krankenkassen handeln in dieser Situation kulant und bezahlen die Verhinderungspflege. Laut gesetzlichem Urteil sind sie dazu jedoch nicht verpflichtet und können Ihren Erstattungsantrag ablehnen.
Ausnahme: Wird die Verhinderungspflege im Vorfeld beantragt oder in irgendeiner Weise „angezeigt“, sind die Krankenkassen zur Zahlung verpflichtet. Das bedeutet, dass Ihnen die Auslagen auch nach dem Todesfall erstattet werden, wenn Sie der Krankenkasse „zukünftige Verhinderungszeiten“ im Vorfeld schriftlich angekündigt haben.
Das sollten Sie tun, wenn abzusehen ist, dass die zu pflegende Person aufgrund einer schweren Erkrankung nicht mehr lange leben wird. Besteht diese Annahme nicht, empfiehlt es sich, die entstandenen Kosten innerhalb kurzer Zeiträume einzureichen, um die Gelder aus der Verhinderungspflege zu erhalten.
Die Möglichkeit, die Verhinderungspflege rückwirkend zu beantragen, erlischt mit dem Tod der zu pflegenden Person und lässt sich nicht einklagen.
Bilderquellennachweis: © Wavebreakmedia | PantherMedia